Historie

Kleine Geschichte des SPD Ortsvereins Dettenhausen

Nicht bloß rot, nein, „ritz-rot“: Über viele Jahrzehnte bedurfte es schon dieser Adjektivverstärkung, um die politische Einfärbung hier in Dettenhausen richtig zu beschreiben. Während der Weimarer Republik wählten mehr als die Hälfte der Dettenhäuser „rot“; dabei bekam die Kommunistische Partei meist doppelt so viel Stimmen als die SPD. Zusammen mit Bodelshausen, Nehren und Talheim gehörte Dettenhausen zu den vier Arbeitergemeinden des Landkreises Tübingen, die von der Arbeitslosigkeit und damit einhergehender fehlender Perspektive besonders hart betroffen waren.

Auch nach dem Krieg wählte Dettenhausen rot: Stets lag hier die SPD weit vor der CDU, ganz im Gegensatz zum Land, wo die CDU immer die stärkste Partei war. Als Beispiel diene das Landtagswahlergebnis vom Mai 1960 in Dettenhausen, als die SPD 59,5 Prozent, die CDU dagegen nur 17,5 Prozent erreichte.

Das „Wiesle war hier also gemäht“ für die SPD, als der damalige Landtagsabgeordnete Erwin Geist zusammen mit Fritz Rittmann, Karl Löffler, Karl Horrer und anderen 1960 den SPD Ortsverein gründeten. Für ein gutes weiteres Jahrzehnt, bis 1972, blieben die Dettenhäuser ihrer bevorzugten politischen Farbe treu: sowohl bei den Landtags- als auch bei den Bundestagswahlen lagen wir vor den Schwarzen, öfter sogar, 1960/61 und 1964, mit großem Abstand.

In den Gemeinderat allerdings, sind wir in dieser Zeit nicht vorgedrungen, die sechs Sitze teilten sich die Listen der Freien- und Unabhängigen Wählervereinigung. Von der politischen Auf- und Umbruchsstimmung des Jahres 1968 war in Dettenhausen, trotz der Nähe zu Tübingen, nichts zu spüren. So ist es vor allem dem Einsatz der Kandidaten und des Ortsvereins zu verdanken, dass in diesem Jahr mit Karl Fischer und Karl Löffler erstmals Sozialdemokraten im Gemeinderat in Dettenhausen vertreten waren. Über ein Jahrzehnt, bis 1980, blieben wir mit zwei Sitzen im Gemeindeparlament die einzigen Vertreter einer Partei, obwohl uns seit 1976 mit Gründung des CDU-Ortsverbands auch vor Ort eine direkte politische Konkurrenz erwachsen war.

1979 erringt mit Hansjörg Dipper dann auch ein Dettenhäuser Genosse erstmals einen Sitz im Kreistag. Auf kommunaler Ebene bleiben wir weiterhin führend vor den anderen politischen Parteien - letztere seit dem Auftauchen der Grünen in Dettenhausen im Plural. Ein Grüner, Dr. Pielsticker, ist es auch, der damals ein beeindruckendes Zeichen für erfolgreiche Aktivität und Bürgernähe vor Ort setzt: Über Monate ist er samstags mit einem Schadstoffsammel- Stand gegenüber dem Rathaus aktiv und bekommt bei den Gemeinderatswahlen 1984 prompt die zweithöchste Anzahl von Stimmen und einen Sitz im Gemeinderat. Aber auch wir sind nicht untätig und gewinnen nach sehr aktivem Wahlkampf einen Sitz dazu: Mit drei Sitzen werden wir die stärkste parteipolitische Kraft. Über drei Wahlperioden, bis 1994, können wir diese Stellung halten. Dann verlieren wir, erstmals 1999, den dritten und bei den Gemeinderatswahlen 2009 leider auch den zweiten Sitz.

Man kann in dieser “Entwicklung” ein Spiegelbild unserer Partei (die im Übrigen auch die andere “große Volkspartei” trifft) sehen, die seit ihren Hochzeiten 1972 in der Ära von Willy Brandt oder 1998, als Herta Däubler-Gmelin hier im Wahlkreis „die CDU-Festung stürmte“, große Teile ihrer Wählerschaft und Mitglieder verloren hat. Die Gründe hierfür sind vielfältig und lassen sich in diversen schlauen Analysen nachlesen.

Im lokalen Umfeld durften wir diese Jahre, alles in allem, als Erfolgsgeschichte erleben, als Bürger eines demokratischen Landes, das mit seinen Nachbarn in Frieden lebt und dem es wirtschaftlich gut geht. Dettenhausen ist zu einer prosperierenden Gemeinde mit mehr als 5000 Einwohnern herangewachsen, begehrt als Wohnort und mit hohem Freizeitwert ausgestattet, im Dreieck zwischen Stuttgart, Böblingen und Tübingen. Im Rahmen der Kreis- und Gemeindereform haben wir uns 1971, entgegen den Wünschen der Obrigkeit, erfolgreich für das “TÜ” auf unserem Nummernschild stark gemacht. Und Dettenhausen war mit an vorderster Protest-Front, als es 1972 darum ging, den Wahnsinn eines Großflugplatzes im Schönbuch zu verhindern. Auf einer Tafel am Stamm einer 200-jährigen Eiche im Kirnbachtal, die an diese erfolgreiche Bürgeraktion erinnert, heißt es: „Sie diene als Mahnmal der Vernunft und des Willens zur Erhaltung des Schönbuchs“.

Ein weiterer Erfolg bürgerschaftlichen Engagements und der kräftigen Unterstützung durch die lokalen Behörden, war die Wiederinbetriebnahme der Schönbuchbahn, des “Sauschwänzle”. Die Schienenverbindung nach Böblingen, war Vorbild für diverse ähnliche Projekte und hat sich zu einer veritablen Erfolgsgeschichte entwickelt.

Also, liebe Freunde, pflegen und hegen wir dieses Pflänzchen, damit aus dem Blassrosa wieder ein sattes Rot wird.

Martin Rosemann

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